Planung und Bau der Horten 9, M 1:12 (1,40m)

Auf Grund der guten Flugeigenschaften dieses zuerst gebauten Modells entsteht in Folge eine GfK-Version im Maßstab 1:10 (1,68m Spannweite). Diese Version ist mit steckbaren Flächen versehen. Einer der Vorteile hieraus ist das auswechselbare Mittelteil als Gleiterversion für Schlepp- und Hangflug oder mit Impeller(n) versehen für den Kraftflug.

Anmerkung: der Nachbau dieser Depron/Balsa-Horten sei NICHT empfohlen! Nach zirka 2 Jahren hatte sich das Balsaholz derart verzogen, dass die ursprünglich vorhandenen (und auf dem Erstvideo gut erkennbaren) guten Flugeigenschaften nicht wieder zu erkennen waren! Der Schwerpunkt musste mit zusätzlich 35g Blei vorne drin korrigiert werden und in den Kurven gierte die Holz-Horten fast unbeirrt geradeaus. Jetzt hängt sie an der Wand und wartet...

Die Planung...

Die Berechnung und aerodynamische Auslegung erfolgt mit FLZ Vortex von Frank Ranis (Frank stellt die Demo-Version kostenlos im Netz zur Verfügung). In vielen Anläufen wurden verschiedene Profile, Profilschränkungen und Verwindungen durchgerechnet und probiert. Doch irgendwie flog der Nuri (rechnersich) mehr oder weniger schlecht! Zu schlecht, als dass ein Bau sich lohnte. Nach neuerlichen Recherchen und etwas Studium zum Thema Profile und Hortenglocke gelang dann endlich der Durchbruch. Mit verschiedenen Horten-Profilen und einer entsprechenden Verwindung der Fläche von der Wurzel weg bis zum Randbogen sahen die Daten plötzlich vielversprechend und gut aus. Und die Neugier war geweckt, ob dem in der Realität denn auch so sei. Also musste gebaut werden. Und das sind die (wichtigsten) Werte:
- Geschwindigkeit für Horizontalflug = 16m/s (ca. 57km/h)
- erforderlicher Schub dafür ca. 90g
- Gleitzahl 8,2
- Sinkgeschwindigkeit 1,9m/s
- Schwerpunkt 180mm hinter Nase
- Stabilitätsmaß von 17,9%


Eine hilfreiche und schöne Funktion in FLZ Vortex ist der Export der 3D-Daten. Diese lassen sich sofort in einem CAD-System weiter verarbeiten. Damit hat man genau das berechnete Modell als Konstruktionsgrundlage. Da FLZ Vortex jedoch keine Bögen sondern nur gerade Abschnitte kann, müssen diese im CAD durch runde Kurven ersetzt werden. Auch die Profilspanten kann man glätten. So hat man schnell und mit relativ wenig Aufwand ein Gittermodell mit Profilspanten, Nasen- und Endleisten.






Sicherlich ließe sich dieses 3D-Modell noch weiter optimieren und verfeinern - doch es soll Grundlage für die folgende Konstruktion sein und nicht einen Preis für die schönste Visualisierung gewinnen. Wäre in diesem Falle also eher "Schmuck am Nachthemd".

Die Schwierigkeit beim Bau dieser Fläche ist neben der geometrischen Form die Schränkung (vier verschiedene Profile) und hohe Verwindung (von 0° über +2° auf -6,5°). Für den Bau wurden deshalb drei Alternativen abgewogen:
- klassischer Rippenbau mit Beplankung
- Heißdraht-geschnittene Styrodurfläche aus vielen Einzelstücken
- aus Styrodur gefräste Flächenteile (so viele so groß die Fräse eben kann)

Die Entscheidung fiel auf den Rippenbau. Dieser erschien einfach - Spanten aus 6mm Depron und als Beplankung 3mm Depron oder 1mm Balsa drüber. Im Nachhinein vielleicht ein Fehler, da doch deutlich zeitaufwändiger als der sonst angewendete (und bewährte) Styrodurbau und bei weitem nicht so stabil und verwindungsfest. Aber gut...

Im nächsten Schritt wurden also:
- die Profilspanten zu Flächen erweitert (grau)
- ein virtuelles Baubrett unter die Fläche gelegt (gelb)
- als Helling die Profilflächen zum Baubrett verlängert (blau)
- Carbonrohre zur Verstärkung duch die Profilflächen geschoben

Baubilder und -bericht

Grundfläche und Spanten mit Helling + Löchern der Carbonrohre werden 1:1 ausgedruckt.

Helling und Spanten auf (stabiles!) 6mm Depron übertragen und ausgeschnitten. Das Mittelstück des Rumpfes wird aus Styrodur geschnitten...

...gleich mit dem angrenzenden ersten Flächenprofil.

Als Rumpf-Helling bleibt vorne, hinten und in der Mitte Styrodur stehen.

Grundfläche und Lage der Profilspanten werden auf das Baubrett übertragen und...

...die Profilspanten mit doppelseitigem Klebeband aufgeklebt.

Dann die Carbonrohre (vorne 4mm, mittig gerade durch 6mm) und -stäbe (hinten 3x1mm) mit Ponal eingeklebt. Damit kein unerwünschter Zug und somit eine ungewollte Verwindung der Fläche entsteht, müssen sie vor dem Verkleben absolut spielfrei zu bewegen sein.

Die 4mm-Rohre sind mit dem 6mm-Rohr zum Dreieck verklebt => dies trägt zur Verwindungsfestigkeit mit bei.

Weil die Fläche auf Grund ihrer hohen Verwindung keine stabile Nasen- und Endleiste zur Orientierung und Festigkeit hat, muss die Beplankung so verzugsfrei wie möglich aufgebracht werden. Testweise wurde deshalb vorne ein genässtes Balsabrettchen aufgeheftet - nur leider hatte es nach dem Trocknen ein paar Wellen. Eine solche Fläche will wohl niemand haben - geht also nicht.

Nächste Ansätze: viele kleine Balsastückchen und/oder alterantiv 3mm-Depron. Die Balsastückchen bedeuten ziemlichen Aufwand und sind immer gerade (hätte man gleich Styrodur-Schnitten schneiden und zusammenkleben können), das 3mm-Depron legt sich manchmal vorteilhaft an, hat aber an anderen Stellen wieder Dullen und Blähungen... So gehts also auch nicht...

Was dann? Auf Anraten von Kollegen doch Balsastreifen, trocken aufgeklebt (ähnlich wie beim Schiffsbau) und so verzugsfrei wie möglich. Das heisst, die natürliche Biegerichtung der Balsabrettchen nutzen und: die Grundkonstruktion verwindungsfester gestalten => 6mm-Depronplättchen zwischen die Rippenspanten kleben.


Dann die Balsabrettchen auf die Spanten (UHUpor) und miteiander verkleben (Ponal).



Doch wo genau verläuft jetzt die Mittelline der Nasenleiste? Also - zurück ins CAD.

Über die Spitze der Profilschnitte die Nasenleiste als Kurve erzeugen, als Fläche nach unten aufs virtuelle Baubrett ziehen und dann diese gebogene Fläche zur ebenen Fläche abwickeln. Diese 1:1 ausdrucken, auf Karton kleben und aufs reale Baubrett stellen.

Die Linie anzeichnen, alles überstehende Balsa abschneiden und fertig.

Für mehr Stabilität wird jetzt die Nasenleiste aus 5mm-Balsa gefertigt: an der Fläche vorne 5mm abschneiden und einen ca. 15mm breiten Streifen Balsaholz aufkleben. Später verschleifen.

Der Styrodur-Rumpf ist bereits vorverschliffen und angeformt. Hinten auf der Fläche befindet sich ein neuerlicher Balsa-Teststreifen: er wurde mit Hemdenpapier und einer 50/50-Ponal-Wasser-Mischung beplankt und trocknet vor sich hin. In der Hoffnung, dass die etwas weiche Balsafläche dadurch zusätzlich gefestigt und verwindungsfester wird. Weitere Teststreifen wurden mit Parkettlack, einem lösungsmittelhaltigen Filler-Lack und Parkettlack + 25er Glasmatte gemacht:

Fazit: alle verziehen sich mehr oder weniger in die eine oder andere Richtung: Ponal-Wasser-Papier wird zur Regenrinne, der lösungsmittelhaltige Filler dito, nur weniger, Parkettlack biegt das Balsa genau um 90° andersrum und in Verbindung mit der Glasmatte gibts gar eine diagonale Verwindung. Bei dieser Gelegenheit wurde auch gleich die Gewichtszunahme gemessen und auf den m² umgerechnet.

Dann fiel die Entscheidung - der Flügel bleibt erstmal wie er ist und wird so vom Baubrett abgetrennt. Gesagt getan und große Freude: er blieb liegen, als wäre er noch angeklebt. Kein Verzug! Es folgt ein erster Gewichtscheck: 200g - auch gut!. Damit drüfte der Flügel als Gleiter auf 350g kommen. Und auf etwa 650g in der angedachten Pusher-Motorisierung = deutlich unter den der Berechnung zu Grunde gelegten 750g. Womit sich das Langsamflugverhalten und die Sinkgeschwindigkeit weiter verbessern werden.


Ist diese Form nicht einfach ein Traum?

Wieder ins CAD: Planung der beiden kleinen Pusher-Antriebe. In dieser Position müsste nur eine Rippe durchtrennt werden.

Den ausgeschnittenen Schlitz in der Fläche könnte man vor und hinter den Props profilieren, um so a) das Geräusch "geschlagener" Luft zu minimieren und b) den Widerstand gegen den erzeugten Luftsrom kleiner halten. Aber solch ein häßlicher Schlitz in der Fläche tut schon irgendwie ein bischen weh... Andererseits die Strahltriebwerke im Original haben auch die Tragfläche "zerstört", nur eben ein bischen weiter innen.




Dann die Verteilung der Komponenten: ganz vorne der Akku (ca. 125g) - er reicht als Gewicht nicht ganz, um den Schwerpunkt an der berechneten Position einzustellen.

[Nachtrag] Dieser Antrieb wurde nie realisiert und ausprobiert - dürfte aber funktionieren. Weil die Kraftwirkung der angesaugten Luft deutlich hinter dem Schwerpunkt liegt und so bei einer Richtungsänderung der Anströmung stabilisierend wirken sollte.

Aber zunächst soll der Vogel ja unmotorisiert in die Luft. Für die Tests als Gleiter muss deshalb vorne ein ausklinkbarer Schlepphaken rein: ein Servo drückt einen 1,5mm Federstahldraht in ein 8mm-Alurohr; in diesem steckt die Drahtöse und an der das Seil.

Gedacht, getan... Der Federstahldraht muss spielfrei und ohne Reibung durch das Alurohr zu schieben sein, die Anlenkung an den Servo gerade und ohne Spannung.

Das Ergebnis funktioniert ganz gut und die Klappe ist wieder geschlossen.


Dann kommt die Aushöhlaktion: Das Vollmaterial im Rumpf und auch die Depron-Verkastung hinter dem Schwerpunkt werden so weit wie möglich leichter gemacht...

Das Häubchen ist abgeschnitten und Platz für den Akku geschaffen.

Neuerlicher Gewichts-Check: 189g: herausgekommen ist das Material der Aushöhlaktion (zirka 30g) und hinzugekommen ist der ausklinkbare Schlepphaken mit Servo.


Die Zuleitungen für die Servos verlegt und dann wird der Rumpf von unten geschlossen. Die Balsaleisten sind übrigens an den Stößen mit Ponal verleimt - das gibt der Beplankung zusätzliche Festigkeit. Für eine gerade Kante sind die Ruder hinten mit einer Alu-Schiene beschwert. Es wird aber vermutlich dennoch ein 3x1mm Carbonstäbchen brauchen.

Den Rumpf noch schleifen und den Übergang zur Fläche verspachteln - dann heißt es wieder mal 24 Stunden trocknen.

Ruder abtrennen, Servos einbauen, Ruder anschlagen...

...und fertig zum Erstflug!

Erst- und Testflug
Zunächst wird probiert, wie und ob die Horten überhapt fliegt. Also ein einfacher Gleitflug per Handabwurf. Doch wie soll man diesen Vogel überhaupt werfen?

Als geeignet erschien: hinten greifen und...

...vorne über die Hand werfen.

Und...?

Fliegt ganz passabel - ein bischen schnell runter = kopflastig, sprich Schwerpunkt zu weit vorne.

Für den nächsten Testflug wird diese Einstellung aber vorsichtshalber behalten und der Starthaken "angefüttert".

Dann gehts ab zum ersten Schlepp.

Gezogen wird von einer völlig über-poweten Parkzone-Corsair. die spürt die Last hinten dran schon gar nicht...

...und zieht die filigrane Balsakonstruktion ein bischen zu schnell.

Heftiges Ruderflattern, runter vom Gas und dann gehts hervorragend weiter. Ausklinken, ...

...ein paar Runden drehen...

... und wieder zur Landung kommen.

Fazit:
- die Balsabauweise taugt (mir) nicht - Styrodur geht schneller, einfacher und ist wesentlich stabiler.
- die Horten fliegt klasse! Kein Abriss, kein Gieren, kein Wackeln - absolut ruhig und stabil. Ein Nuri ohne Gewackel geht also doch.
- Bei einem Landeanflug begann sie plötzlich einige Meter über dem Platz zu steigen und gewann soviel an Höhe, dass es noch eine ganze Runde reichte. Sie scheint also auch Leistung zu haben.
- Die gebaute Version fliegt sich inkl. der Ruderausschläge wie mit FLZ berechnet und simuliert. Dem Frank sei Dank!
- Nach Herausnahme von ca. 10g Gewicht konnte die doppelte Flugzeit erreicht werden. Sie flog nach wie vor absolut stabil, gefühlsmäßig ist sie aber noch immer leicht kopflastig. Man kann also wohl noch etwas Gewicht herausnehmen...

Als nächstes wurden die Ruder aus Styrodur gebaut und angeschlagen, auch die Servos (1440A) wurden gegen HXT500 getauscht. Und - diese Version bleibt als Prototyp ein Gleiter für den Schlepp- und Hangflug. Denn eine harte Landung bei >650g Gewicht gibt mit großer Wahrscheinlichkeit einen Sack voll Spreißel... ;-) Für die Motorisierung wird also ein neues Styrodurmodell "geschnitzt".

Es folgt noch die Lackierung - klassich: oben grün, unten hellgrau...

Verwendete Farbe: Montana Black, deckt sehr gut und härtet aus wie Parkettlack. Damit ist die brüchige Balsaoberfläche jetzt einigermaßen fest und bruchsicher. Damit das dünne Balsa durch die Feuchtigkeit des Lacks nicht Wellen schlägt, wurde in mehreren sehr dünnen Schichten lackiert. Gewichtszunahme durch den Lack: satte 80g!! Weit mehr, als gedacht. Denn Montana Black wiegt zirka 30g/m² und die Fläche hat 0,36m² mal 2 = knappe 0,75m². Das wären dann etwa 23g gewesen - woher nur kommen die restlichen 50g ;-) ?? Nächste Konsequenz: es müssen jetzt vorne 95g anstelle der zuvor 70g zusätzlichem Gewicht rein. Damit wiegt der Vogel jetzt als Gleiter fast 520g. Aber gut...

Bei den nächsten Testflügen konnte mit den stabileren Styrodur-Querrudern dann auch mal "Vollgas" geflogen werden - und? Noch eine Überraschung: Aus großer Höhe angestochen und in 2 bis 3m Entfernung horizontal mit Speed durchgezogen - die Horten gibt keinen Ton von sich! Lautlos zieht sie vorbei, wie eine Eule und kommt sogar wieder auf Höhe für die nächsen ein bis zwei Platzrunden.